„Da haben es Kriegsreporter leichter“

Der Regensburger Reisejournalist Julius Schophoff über die Tücken eines Traumberufs.

Urlaub machen und dafür Geld bekommen – klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch.
Der Regensburger Reisejournalist Julius Schophoff über die Tücken eines Traumberufs.



Du wirst, überspitzt gesagt, fürs Blaumachen bezahlt. Ist deine Arbeit der reinste Urlaub?
So stellt man sich das vor, oder? Aber so ist das nicht. Ich habe auf meinen Recherchereisen rund um die Uhr die Geschichte im Kopf. Worum geht es? Welche Protagonisten sind wichtig? ­Welche Szenen brauche ich? Ich kann ja nicht einfach aus dem Urlaub erzählen wie jeder andere. Denn mal ehrlich: Gibt es was Schlimmeres als Leute, die gerade aus dem Urlaub zurück sind und erzählen, wie toll das alles war? Das Hotel und das Essen und der Strand und diese herzlichen Menschen! So gesehen ist Reisejournalist ein harter Job. Beim Schreiben jedenfalls haben es Kriegsreporter leichter.

Klingt ja wirklich anstrengend. Schreibst du denn dann überhaupt schon während der Reise – oder arbeitest du alles erst ­zuhause auf?
Beides. Ich nehme immer zwei Notizbücher mit, ein kleines und ein großes. Das kleine habe ich immer bei mir, darin notiere ich, was man schnell vergisst: Zitate im genauen Wortlaut und Sinneseindrücke. In das große Buch schreibe ich meine Gedanken, fast wie in ein Tagebuch, da entwickelt sich dann die Geschichte.

Nimmst du keinen Laptop mit auf die Reise?
Einen Laptop nehme ich nur mit, wenn die Geschichte unter Zeitdruck entsteht. Dann ­sitze ich abends im Hotel und baue ein Gerüst für den Text. So richtig schreiben kann ich aber erst, wenn ich zuhause bin. Ich muss wissen, wie die Geschichte ausgeht, bevor ich den ­ersten Satz schreiben kann.

Du bist Freiberufler. Wie muss man sich das vorstellen: Gehst du einfach auf Reisen und bietest die Texte später an?
Ich fahre nur los, wenn mich eine Redaktion beauftragt. Am Anfang war es nicht leicht, diese Aufträge zu bekommen. Die Zeitungen kaufen ja keine Geschichte über einen Pauschalurlaub. Ich musste Themen finden und sie den Redakteuren schmackhaft machen – was schwer ist, weil die die Branche kennen und schon fast alles gelesen oder gehört haben. Nachdem ich ­meine ersten Artikel geschrieben hatte und sie ihnen gefielen, wurde es einfacher.

Reisen ist teuer. Wer übernimmt deine Kosten?
Ich jedenfalls nicht. Einen Teil trägt die Redaktion, aber das ist meist der kleinere. Organisierte Reisen werden meistens von den Veranstaltern spendiert, Flüge und Hotels übernehmen oft die Tourismusvertretungen der Reiseziele – wobei es da natürlich Unterschiede gibt. Reiche Länder wie die Schweiz oder Kanada zum Beispiel sind da ziemlich großzügig. In Nordzypern oder der Ukraine kann man sich die Anfrage sparen. Und dann gibt es Orte, die so überlaufen sind, dass sie es nicht nötig haben, ­Journalisten zu hofieren, New York zum Beispiel.

Wie unabhängig ist man, wenn einem das Land, über das man berichtet, die Reise bezahlt?
Das ist die große Streitfrage. Bei manchen Kollegen aus ­anderen Ressorts ist der Reisejournalismus wegen dieses Sponsorings verrufen. Ich kann da nur für mich sprechen: Wenn ich schreibe, ist mir egal, wer meinen Flug bezahlt hat.

Julius Schophoff, 39 Jahre
Kündigte vor zehn Jahren seine Stelle als Kaufmann und ging auf Reisen. Um herauszufinden, was er will, schrieb er unentwegt – aber das einzige, was er herausfand, war, dass er reisen und schreiben wollte. Also blieb er dabei. Er besuchte die Zeitenspiegel-Reportage­schule in Reutlingen und wurde zwei Mal mit dem Columbus-Autorenpreis für die beste deutsche Reisereportage ausgezeichnet.
www.schophoff.de

Spart man dann nicht trotzdem mit Kritik? Schließlich schreibst du über deine Gastgeber.
Wenn mir etwas nicht gefällt, schreibe ich es. Ich suche immer nach Konflikten – das ist nun mal das Interessante an Geschichten. Trotzdem hat sich noch nie ein Veranstalter oder eine Tourismusvertretung beschwert. Die nehmen lieber schlechte Werbung als gar keine. Eine Reisereportage bekommt vom Leser ja viel mehr Aufmerksamkeit als eine Anzeige – und wenn man weiß, was Anzeigen zum ­Beispiel in der ZEIT kosten, kann man sich vorstellen, was eine ­zweiseitige Reportage wert ist.

Egal ob gesponsert oder nicht: Gibt es eine Reise, die du nie wieder machen würdest?
Ich war mal fünf Tage im italienischen Kloster La Verna, wo der heilige Franziskus lebte. Keiner der Mönche wollte mit mir reden, Zerstreuung gab es null. Ich bin dann aus reiner Langeweile in den Mietwagen gestiegen und die ­Serpentinen am Klosterberg auf und ab gebrettert. Und dann gibt es die Geschichten, bei denen ich wirklich Angst hatte. Gleich einer meiner ersten Aufträge war ein Selbstversuch im Snowkiten, also Snowboarden am Lenkdrachen. Das Dumme war: Ich konnte gar nicht Snowboarden. Und plötzlich saß ich auf einem gefrorenen See in den Schweizer Alpen, bei minus fünfzehn Grad und Windstärke sechs, und sollte den Drachen in die Powerzone lenken. Ich weiß nicht, wie oft ich durch die Luft geflogen und auf den Helm geknallt bin.

Und welchen Trip würdest du sofort wiederholen?
Hab ich schon! Ich war gerade zum zweiten Mal auf einem alten Segelschiff an der Westküste Kanadas, im Great Bear Rainforest, eine Wildnis wie im Bilderbuch. Beim ersten Mal sind uns die Orcas und Buckelwale fast aufs Deck gesprungen. Der Kapitän hat damals gesagt: Du musst mal im Herbst kommen, zu Lachssaison! Das hab’ ich jetzt gemacht. Da ­kamen Dutzende Bären zum Fischen an die Flussmündungen, manche sind an uns vorbei gestapft wie Hunde.

Abenteuerlich! Hast du zum Abschluss noch einen ungefährlichen Hotel-Tipp für uns?
Und ob! Da war ich gerade auch zum zweiten Mal. ­Hotel Waldhaus, das ist so ein 5-Sterne-Schloss im Engadin, das schönste Hotel, in dem ich je gewesen bin, weit über ­meinem Budget. Vor drei Jahren habe ich eine Geschichte über deren Musiktrio geschrieben. Zwei der drei Musiker ­waren bis aufs Blut zerstritten. Diesen Konflikt habe ich herausgearbeitet – und trotzdem haben die mich später gefragt, ob sie die Reportage in ihrer Hotelzeitung nachdrucken dürfen. Als Gegenleistung haben sie mich und meine Frau für ein Wochenende eingeladen. Das neue Spa war gerade fertig geworden, meine Güte! Das war wirklich Blaumachen.

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